Das Damenstift Herford -  Ergebnisse der Ausgrabungen

Die Texte und  Abbildungen dieser Seite sind den Schautafeln, die an den historischen Ausgrabungsstellen, Rathausplatz, Münsterkirchplatz usw. aufgestellt sind, entnommen. Leider ist mir keine kleine Broschüre, die Informationen über die Ausgrabungen/ Baugeschichte des Damenstifts gibt, bekannt, die der Besucher der Ausgrabungsstätten in die Hand nehmen könnte. Ich habe  Bilder und Texte zusammengestellt, so dass jeder, der alles noch einmal nachlesen möchte, hier die Gelegenheit dazu hat.
Ich hoffe, dass die Autoren der Bildtafeln damit einverstanden sind.

Die Münsterkirche und die Wolderuskapelle sind die einzigen erhaltenen Bauzeugen der ältesten Klostergründung in Westfalen. Archäologische Ausgrabungen haben jedoch zahlreiche neue Informationen über die Baugeschichte an diesem Platz erbracht,  so dass  Sie heute  auf diesem archäologischen Rundgang auf 7 Tafeln Bauten aus 12 Jahrhunderten kennen lernen  können. Die Standorte der Tafeln sind auf dem ersten Bild mit den Zahlen 1 bis 7 dargestellt.


Tafel l: Die Gründung im 8. Jahrhundert  
Der sächsische Adelige Waltger wählte um das Jahr 789 eine Anhöhe am Zusammenfluss von Aa und Werre für seine Gründung, Ein diese Flüsse verbindender, über 4 Meter tiefer Graben diente der Befestigung der ersten Ansiedlung. Aus der Gründungszeit am Ende des 8. Jahrhunderts sind Gräber und Pfostengruben gefunden worden. Die beigabenlosen, geosteten Gräber gehören zu einem großen, bis zu 1500 Bestattungen umfassenden Friedhof. Dieser christliche Friedhof belegt, dass Herford ein wichtiges Missionszentrum am Ende des 8, Jahrhunderts gewesen ist. In unmittelbarer Nähe des Friedhofes wird eine Kirche gestanden haben. Der Pfostenbau im Westen des Gräberfeldes deutet die Lage der ersten Gebäude des Stiftes an, zu denen sicherlich eine Kirche gehörte.  


Tafel 2: Die Bauphasen des 9. Jahrhunderts
Über den Gräbern des ältesten Friedhofs wird am Anfang des 9. Jahrhunderts großzügige Klosteranlage errichtet Dabei lassen sich im Bereich der Kirche und des Ostflügels zwei Bauphasen unterscheiden. Die Erweiterung der Kirche von einer Saalkirche zu einer dreischiffigen Basilika könnte vielleicht mit der Übernahme, des Klosters in den Schutz des Reiches unter Kaiser Ludwig dem Frommen um 822 in Verbindung stehen. Das um einen 42 x 33 Meter großen Innenhof errichtete Kloster entspricht in seiner Konzeption den großen Benediktinerklöstern der Zeit. Es ist daher anzunehmen, dass die Stiftsdamen hier zunächst wie Nonnen in Klausur nach der Regel des Heiligen Benedikt gelebt haben. Unter dem stehenden barocken Bau der Wolderuskapelle sind mehrere Vorgängergebäude ausgegraben worden. Der älteste ist auf dem Plan dargestellt Es handelt sich um einen kleinen, im Innern nur 2 x 2 Meter großen Bau, der im Osten einen Durchgang besaß. An dieser Stelle wurde der Stiftsgründer Waltger, auch Wolderus genannt, in der Mitte seiner Stiftung bestattet.


Tafel 3: Der Wiederaufbau nach dem Brand von 926
Bei einem Ungarnüberfall im Jahr 926 ist das Stift Herford durch Feuer zerstört worden. Dies berichten zahlreiche historische Quellen. Eine Quelle erwähnt sogar, dass die Äbtissin Imma die Stiftsgebäude anschließend "quasi ad fundamento novo" errichten ließ. Der archäologische Befund bestätigt dieses eindrucksvoll. Auf eine in fast allen Bereichen nachweisbare Brandschicht folgt eine Neubebauung,  in den den Vorgängergebäuden entsprechenden Fluchten. Das großformatige Quadermauerwerk belegt eine qualititätvolle Bauausführung. Große Teile von Nord- und Osttrakt sind zweigeschossig gewesen, denn es sind die Wände von eingetieften Räumen ausgegraben worden. Die jetzigen neuen Mäuerchen deuten den Verlauf der im Boden erhaltenen Mauern dieser Zeit an.
Das Kloster des 10. Jahrhunderts steht ganz in der Tradition des karolingischen Vorgängers. Große Räume im Nord- und Ostflügel bieten Platz für das gemeinschaftliche Leben. Nur aus den historischen Quellen erhalten wir Hinweise auf Konflikte um die innere Ordnung des Stiftes, Damit ist der Trend zu einer zunehmend individueller geprägten Lebensweise der Stiftsdamen gemeint. Erst ein Gebäude  des 12. Jahrhunderts, das große, unterkellerte Haus im Westen der Kirche, belegt diese Entwicklung. Es könnte sich hier um das erste abgesonderte Wohngebäude. der Äbtissin, die  Abtei, gehandelt haben.


Tafel 4 :Die Neubauten des 13. Jahrhunderts und die Veränderungen bis 1638
Ein Brand zerstörte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nahezu alle Gebäude des Stiftes. Die danach errichteten Neubauten zeigen deutlich, wie sich das Stiftsleben in den drei Jahrhunderten seit dem Brand von 926 verändert hatte. Neben der heute noch stehenden Münsterkirche wurde für den Konvent der Stiftsdamen nur das sogenannte Schlafhaus im Bereich des alten Osttraktes neu gebaut. Der Name verrät schon die Funktion, es ist das Gebäude, in dem sich das Dormitorium, der Schlafraum der Stiftsdamen befand. Er lag im ersten Stock und durch eine noch sichtbare Türöffnung konnten die Damen zu den Gebetszeiten direkt auf die Empore in der Kirche gelangen.
Das Untergeschoss des Schlafhauses wurde als Refektorium, also als Speisesaal, genutzt. Die Damen haben aber neben diesen Gemeinschaftsräumen bereits eigene Häuser zur Verfügung gehabt. Das Schlafhaus, der Kapitelsaal unter der Empore im Querhaus und besonders der vermutlich neu errichtete aber eigentlich funktionslos gewordenen Kreuzgang zeugen jedoch immer noch von der bewussten Anknüpfung an klösterliche Tradition.
Die Neubauten  von Kirche und Stift ab der Brandzerstörung in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Tafel 6:Die Baugeschichte der Abtei 
Ein Plan des Jahres 1808 ist die Grundlage für die Darstellung des Abteigebäudes. Die Ausgrabungen ermöglichen es nun, aus diesem Plan einzelne datierbare Bauphasen herauszulesen. Den Kern der Abtei bildete der braun eingezeichnete Teil des Südflügels. Er ist unter Einbeziehung eines älteren Vorgängers am Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden. In der Mitte lag der repräsentative Lahnsaal. Er ist mit den Porträts von Königen als Dokumentation der Reichsunmittelbarkeit und von Päpsten als Zeugnis der direkten Unterstellung unter den Papst ausgestattet gewesen. Östlich davon lagen die Wohnräume der Äbtissin und ihre den Heiligen Cosmas und Damian geweihte Privatkapelle. Westlich schloss sich der Gästetrakt an, der in dem Plan mit dem Namen Königszimmer bezeichnet wird. Die Abtei entspricht damit dem Bautyp der Bischofs- oder Fürstenpfalz, und verdeutlicht sinnbildlich den hervorragenden Rang der „Frau von Herford“, wie die Äbtissin in alten Urkunden genannt wird. Am Anfang der 18. Jahrhunderts wurde die Abtei um einen Westflügel erweitert und der Südflügel aufgestockt. So erhielt die Abtei das auf alten Abbildungen noch belegte schlossartige Aussehen.

 

Tafel 7: Die Säkularisation 1802 und die industrielle Nutzung
Am 15. August 1802 endete mit der Säkularisation die über tausendjährige Geschichte der ältesten klösterlichen Gemeinschaft Westfalens. Der Wechsel hätte kaum abrupter sein können, in der Abtei wurde eine Spinnerei eingerichtet. Besonders die Anlagen zur Energiegewinnung haben Spuren im Boden hinterlassen. Der Kaufmann Schrewe stellte beim Kauf der Abtei 1810 die Bedingung, dass auf Kosten der Stadt ein Wasserkanal zwischen  Bowerre und Aa gebaut wird. Dieser bruchsteingemauerte, gewölbte und begehbare Kanal ist auf seiner Länge von über 200 Metern fast vollständig erhalten. Am Ende des Kanals trieb das so zugeführte Wasser ein
großes Rad an. Im Jahre 1834 wurde in Herford Industriegeschichte geschrieben. Der Fabrikant Friedrich Ludwig Schönfeld ließ die erste Wasserturbine in Preußen einbauen. 1847 hielt wieder eine neue Technik Einzug, nämlich die Dampfmaschine. Die Fabrik produzierte bis 1900 in der alten Abtei, dann wurde das Gebäude an die Stadt verkauft und zunächst provisorisch als Rathaus genutzt Zwischen 1913 und 1917 erfolgte dann der Neubau des heutigen Rathauses und der Markthalle.